Rachele hat mich ermuntert, ins Carreau du Temple mitzukommen, zu der Aufführung der "Carte Blache" für Yves-Noel Genod. Ich lese mir die Beschreibung durch und stelle fest, das sagt mir was das ist die Performance "Sur le Carreau", an der Anne, Cathérine, Nadja, Rosalie mit ca. 100 anderen Amateuren, amateurs confirmés, professionnellen Tänzern im Vorjahr teilgenommen haben. Pandemiebedingt wurde die Aufführung im Vorjahr nur für professionelles Publikum gezeigt. Ich wusste nicht, dass Yves-Noel Genod die Proben für die Aufführung im Jänner wieder aufgenommen hatte.
Ich habe lange hin und her überlegt, ob ich mit Rachele und Stefano mitkommen soll, weil ich ja ein wenig zwiegespalten bin, welche Aktivitäten ich mir erlauben darf oder soll, und welche nicht.
Schon gestern am Abend war ich mit Manfred in einem Lokal, und danach dachte ich mir, dass ich da nicht ganz in der Komfortzone war.
Heute habe ich mir einen Ruck gegeben und haben mir ein Ticket gekauft. Gleich beim Betretten des Raumes mit Rachele und Stefano erspähte ich bekannte Gesichter. Anne war überhaupt die Beste: sie hat mir in ein paar Sätzen erzählt, wie die Choreografie aussieht. Sie haben mir ein Kostüm gefunden - eine Boxershort, die ich einfach über meine Hose angezogen habe. Es war noch Zeit aufs WC zu gehen, und dann ging es los.
Es war ein Eintauchen in eine andere Welt - bunte Kostüme, verschiedene Stimmungen, manchmal spielte jemand Violine, manchmal wurde ein Musikstück gespielt - Purcell, Zappa. Sogar Leute von der Straße drückten ihre Nasen an den Scheiben platt und schauten zu. Genau das war auch das Thema: über den Raum hinaus strahlen, senden, nicht nur innerhalb der Gruppe, innerhalb des Raumes. Das Publikum an den Rändern fühlte sich so ebenso integriert. Rachele bestätigte das, als wir danach noch in ein Café gingen. Die Grenzen waren fließend. Stefano war mit seinem Skizzenbuch gekommen, und so wie etliche andere Skecher blieb er nicht lange an der Peripherie, sondern eroberte auch die Tanzfläche, sogar mit Boa und Handschuhen spontan ausgestattet.
Das Licht in dem Carreau du Temple ist absolut schön - die Strahlen der untergehenden Sonne kamen manchmal herein, man ist zwischen Innenraum und Außenraum, Himmel und Erde. Noch dazu befand sich an eben dieser Stelle einst ein Friedhof, die Verbindung zum Jenseits wird gleich einbezogen.
Jean-Noel Genod trug die Gruppe mit seiner Stimme, die ab und an Hinweise auf das nächste choreografische Element. Das waren ganz einfache Hinweise - Norden, Süden, Linie, verschwinden, wiederkommen, Fanfare.
Hat mir sehr viel Spaß gemacht, da mitzumachen. Und es war glaube ich das erste Mal, dass ich als Zuschauerin zu einem Stück kam, an dem ich letztlich in voller Länge teilnahm. Hat mir auch Spaß gemacht, meine Compagnons de la dance wiederzutreffen.
Um meine zwiegespaltene Haltung der Pandemie gegenüber etwas zu besänftigen, habe ich meine FFP2 Maske aufbehalten.
Hier geht es zur Beschreibung. Es gibt auch ein Video unter anderem mit Auszügen von den Proben im Vorjahr auf der Seite, um einen Eindruck zu gewinnen.
Nous ne sommes pas du tout sûrs de nous revoir, alors considérez cette séance non comme une « répétition », mais comme une « représentation ».