Publié le 7 Janvier 2020
Seit Anfang Dezember 2019 ist nun der öffentliche Verkehr extrem eingeschränkt. Ein paar Métros zur Stoßzeit in der Früh, ein paar am Abend, nicht unbedingt die gleichen, nicht unbedingt über die gesamte Strecke, etliche Stationen sind gesperrt. Schnellbahnen und Regionalzüge, essenziell für die Pendler, sind extrem reduziert. SNCF und RATP streiken.
Die Leute steigen auf Trittroller, Rad, Fuß, Work at home um. Sich durch die Stadt bewegen ist wahrlich nicht einfach.
Heute früh war ich bei meinem Hausarzt, den ich leider nicht ums Eck bei mir gewählt habe. Mein Termin war noch zur Zeit, als die Métros zumindest teilweise gefahren sind. Dennoch war das mit mehr Fußweg als sonst verbunden, und hat länger gedauert als ich es vielleicht vermutet hätte.
Am Abend wollte ich die Linie 7 nehmen, die Station, bei der ich in den letzten Tagen doch noch Glück hatte und eine Métro nehmen konnte, war heute gesperrt. Also bin ich zur automatisierten Linie 14 marschiert. Eh nach wie vor alles machbar, bin ja durchaus privilegiert, dass ich in etwa mit 15 bis 20 Minuten Fußmarsch bei den automatisierten Linien 14 und 1 sein kann, in Paris lebe und zu Fuß ins Büro gehen kann (Ironie des Schicksals - in letzter Zeit nutze ich vermehrt die Métro 2 bis Blanche und gehe dann erst oder nehme den Bus. Warum? Ich bin seit Ende Dezember etwas angeschlagen, hab eine Verkühlung aufgeschnappt, und war bis gestern nicht so ganz in Topform. Heute geht es schon erheblich besser. Aber wenn ich an Menschen mit eingeschränkter Mobilität denke, an Leute, die in der Île de France wohnen, muss ich sagen: aufreibend und unnötiger Auwand, die Logistik in Zeiten des Streiks zu organisieren.
Die Universitäten hätten Prüfungswochen - manche haben das Datum verschoben, andere nicht. Manche bieten den Studierenden an, in Turnsälen zu übernachten, um an den Prüfungen teilnehmen zu können.
Am Donnerstag ist zu einem besonderen Streiktag aufgerufen, das wird dann wohl wieder etwas verschärft hergehen, vermute ich. In jeglicher Hinsicht. Die Regierung möchte die Pensionsreform durchziehen mit unter andereme einer weitgehenden Vereinheitlichung der Pensionssysteme und der Anhebung des Pensionantrittsalters. Und die Gewerkschaften stoßen sich an einigen Punkten, wie dem neuen Rentenantrittsalter 64 Jahre,
Als ich heute mir so den Weg durch die Stadt gebahnt habe, wusste ich gar nicht, welche Position ich nun einnehmen soll. Es setzen sich Leute für Rechte ein, die im 21. Jahrhundert und in der heutigen Arbeitswelt zunehmend Auslaufmodell werden, was ich nicht unbedingt begrüßenswert finde, aber ich bin auch ein Kind des 20. Jahrhunderts. Andererseits sind Reformen notwendig, auch wenn die Pensionskassen angeblich momentan gefüllt seien, laufen höhere Lebenserwartung, weniger Beitragszahlungen, stagnierende Geburtenraten der Aufrechterhaltung und Finanzierbarkeit des Systems entgegen.
Ob ich diese sagenhafte Einschränkung des gesamten Lebens mit Auswirkungen, die nicht gerade die Reichen und Schönen am meisten treffen, tolerieren und hinnehmen soll, oder nicht auch den Unmut stärker zum Ausdruck bringen möchte, frage ich mich.
Jedenfalls ein rekordverdächtiger Streik, der den von 1995 zu Zeiten von Jacques Chirac bereits an Dauer überflügelt hat.